17.09.2024
Sich von Gott finden lassen
Der französische Schriftsteller Eric-Emmanuel Schmitt hat sich als junger Mann auf eine Reise zu den Tuareg in die Wüste Algeriens gemacht, weil er an einen Film über den französischen Mystiker Charles de Foucauld beteiligt sein sollte, der längere Zeit bei den Tuareg in der Wüste gelebt hatte. Der junge Schmitt setzte sich auf seiner Wanderung durch die Wüste mit der Gedankenwelt Foucaulds auseinander. Als Agnostiker waren ihm aber bis dahin religiöse Zugänge verschlossen gewesen. Viele Jahre später hat das, was er auf seiner Reise erlebt hat, in seinem Buch «Nachtfeuer» festgehalten. Mich hat dieses Buch sehr berührt.
Schmitt hat sich auf seiner Wanderung durch die Wüste von seiner Gruppe entfernt und sich prompt verlaufen. In der bitterkalten Nacht ohne wärmende Kleidung buddelte er sich in den Sand ein, Todesangst erfüllte ihn. Und dann machte er eine mystische Erfahrung, die er als Gottesbegegnung interpretierte: Er war Gott begegnet. Oder Gott ihm? Schmitt war tief erschüttert und bewegt, verändert. Ihm war die Welt des Glaubens aufgegangen.
Schmitt hat die Erkenntnis von Mystikern, die lange vor ihm gelebt hatten, gewonnen, nämlich, dass Gott nicht bewiesen werden kann und nicht bewiesen werden muss. Niemand kann wissen, ob es Gott gibt. Auch der Glaubende kann es nicht wissen, nur glauben. Und dieser Glaube kann mein Leben und meinen Blick auf dieses verändern.
So schreibt Schmitt gegen Ende des Buches: «Doch Gott ist nicht derjenige, der die Menschen rettet, sondern Der, der ihnen das Angebot macht, an ihre Rettung zu glauben.» (Eric-Emmanuel Schmitt, Nachtfeuer. Was ich in der Wüste erlebte, Fischer-Verlag, 3. Edition 2017, Seite 201).
Das ist viel, sehr viel. Schmitt lag hoffnungslos in der Wüste. Rational gesehen blieb ihm nur ein langsameres oder schnelleres Verdursten. Aber durch sein Erlebnis bekam er Zugang zu einer viel grösseren Wirklichkeit. Wie er es mit nur zwei Schlucken Wasser schaffte, den Berg zu erklimmen und die anderen der Wandergruppe zu finden, muss rational nicht erklärt werden.
Auch ich möchte gar nicht erklären, was Schmitt erlebt hat. Lesen Sie das Buch selbst und versuchen Sie nachzuvollziehen, was er erlebt hat.
Was ich aber mitnehme, ist die Erfahrung, dass nicht wir Gott finden, sondern Gott uns. Und die Momente des gefunden Werdens von Gott sind nicht planbar und nicht vorhersehbar. Sie sind ein Geschenk. Sie verändern den Blick auf die Gegenwart und die Zukunft. Sie verändern das eigene Leben.
Ich wünsche Ihnen zum Bettag, dass Ihnen diese Erfahrung geschenkt wird.
Sabine Wälchli, Pfarrerin
Bild: commons.wikimedia.org/wiki/File:ASSEKREM